February 16, 2025

Die wissenschaftliche Wende um 1900

 

Bis zum Jahr 1900 funktionierte die Wissenschaftswelt nach klassischen überschaubaren Prinzipien. Es gab die Naturwissenschaften welche sich untergliederten in Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Psychologie, Medizin und der Inhalt des jeweiligen Fachgebietes war in Nachschlagewerke erfasst.
Bis ungefähr dem Jahr wurde in jedem der Einzelwissenschaften eifrig geforscht und es wurden neue Erkenntnisse publiziert. So gab es irgendwann den Moment wo jemand das Ohmsche Gesetz entdeckte, oder zum ersten Mal Bakterien unter dem Mikroskop beobachtet hat. Diese goldene Zeit der Naturwissenschaft lief parallel zur industriellen Revolution ab und dauerte bis ca 1910.
Es gibt ein selten untersuchtes Phänomen was nach 1910 einsetze und als Stillstand der Naturwissenschaft bezeichnet werden muss. Damit ist gemeint, dass die gedruckten Nachschlagewerke aus den Bereichen Mathematik, Physik usw. sich seit diesem Jahr nicht oder nur noch sehr geringfügig veränderten. Der Grund dürfte sein, dass man wichtige Dinge wie die Zinsrechnung in der Mathematik oder die Mechanik-Gesetze der Physik nur einmal entdecken kann und danach wird man zu dieser Thematik nicht mehr viel neues entdecken.
Die o.g. Naturwissenschaften müssen statisch verstanden werden. Sie sind auf dem Stand von ca. 1900 eingefroren und haben sich seitdem fast nicht mehr weiterentwickelt. Zwar kann man auch heute noch Experimente wiederholen, wie z.B. den Temperaturverlauf von Wasser messen was man bis 100 Grad erhitzt, das Resultat ist jedoch identisch mit dem Jahr 1850. Man wird dazu nicht mehr viel neues entdecken oder eine andere Erklärung finden als jene die in den Büchern um 1900 auch schon notiert wurde.
Gehen wir mal einen Schritt zurück um die Brisanz dieses Themas besser bewerten zu können. Bis ca. 1900 waren die Naturwissenschaften der Motor der technischen Entwicklung. Es wurden aufregende neue Dinge entdeckt und dann von der Physik, Psychologie oder Medizin in Theorien überführt. Dadurch wurde es möglich, praktsiche Anwendungen zu entwickeln wie z.B. die Eisenbahn, die Röntgenstrahlung oder die Haltbarmachung von Lebensmitteln. Bis ca. 1900 gab es einen ungeheuren Erkenntnisgewinn und es gab dauernd neues zu entdecken.
Ab ca. 1900 änderte sich die Lage schlagartig. Es gab weniger eine Krise in der Mathematik oder in der Physik selber sondern die Krise bestand darin, dass kein neues Wissen mehr dazugefügt wurde. Im Grunden haben die Naturwissenschatler bis 1900 bereits alles entdeckt was wichtig ist und damit entstand ein Wissensplateau. Das heißt der Gipfel in den Wissenschaften war erklommen, und alles was man über die reale Welt erforschen konnte war bereits bekannt.
Die Herausforderung und die Notwendigkeit zur ständigen Innovation verlagerte sich auf ein anderes Gebiet. Es begann eher unscheinbar unter dem Begriff Nachrichtentechnik und mechanische Rechenmaschinen und weitete sich aus in den Bereich der Computer sciences. Computer science hat ihre Ursprünge zwar in der Mathematik und Physik, funktioniert aber nach anderen Prinzipien. Der Unterschied besteht darin dass in den Computerwissenschaften nicht die Natur untersucht wird, sondern dass selbst erschaffene Gebilde in Form von Programmen und Daten diskutiert werden. Dieser virtuelle Realität ist auch als Cyberspace bekannt. Anders als die Realität ist die virtuelle Realität sehr viel komplexer. Anhand der Historie der Computerwissnschaft ab 1910 kann man zeigen, dass es permanent neue Entwicklungen gab. Eigentlich jedes Jahr gibt es neue Computermodelle und neue Computersoftware. Es ist nicht möglich zur Computerwissenschaft ein Referenzbuch zu verfassen, weil es nach spätestens 10 Jahren hoffnungslos veraltet wäre.
Sosehr die Mathematik seit 1910 von einem Stillstand geprägt ist, sosehr ist die Computerwissenschaft von einer Aufbruchstimmung geprägt. Anders als in den etablierten Naturwissenschaften gibt es in der Informatik noch sehr vieles zu entdecken. Und je mehr erforscht wurde, desto größer sind die Bereiche die noch gänzlich unerforscht sind.
Die wachsende Bedeutung der Computerwissenschaften lässt sich anhand der anzahl wissenschaftlicher Publikationen erkennen. Um 1910 war die Anzahl die sich mit Rechenmaschinen beschäftigte sehr klein. Das stieg jedoch konstant an. Heute hat die Mehrzahl der Publikationen in den Wissenschaften entweder direkt oder indirekt einen Bezug zur Informatik. Selbst Literaturwissenschaftler nutzen den Computer zur Textanalyse, während Mathematik ihn verwenden um Diagramme zu plotten, und Mediziner den Computer nutzen um Datenbanken anzulegen. Moderne Wissenschaft ist automatisch eine Computerwissenschaft. Es bedarf zwingend des Einsatzes leistungsfähiger Webserver, professioneller Software und neuartiger Algorithmen.

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