Szene: Das Büro von Professor Schreiber, Mitte der 1990er Jahre. Der Raum ist überladen mit technischen Zeichnungen, alten Computermodellen und einem unfertigen Roboterarm, der auf einem Tisch liegt. Der junge Student Lukas sitzt auf einem wackeligen Stuhl vor dem Schreibtisch des Professors, während Schreiber hinter einem Stapel von Papieren hervorschaut.
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Lukas: (eifrig) Herr Professor, ich habe gerade den Artikel über die Fortschritte in neuronalen Netzen gelesen. Es ist unglaublich, wie schnell sich die Technik entwickelt! Ich bin sicher, dass wir in ein paar Jahren Maschinen haben werden, die wirklich denken können – so wie Menschen.
Professor Schreiber: (hebt langsam den Blick und mustert Lukas mit einer Mischung aus Müdigkeit und Skepsis) Ach, Herr Berger. Sie erinnern mich an mich selbst vor zwanzig Jahren – jung, voller Enthusiasmus und... naiv.
Lukas: (leicht irritiert) Naiv? Aber sehen Sie sich doch die Fortschritte an! Die Rechenleistung verdoppelt sich alle paar Jahre. Wir haben Algorithmen, die Muster erkennen können, Spracherkennung wird immer besser, und selbst autonome Systeme machen Fortschritte. Es ist doch nur eine Frage der Zeit.
Professor Schreiber: (lehnt sich zurück und verschränkt die Arme) Eine Frage der Zeit? Das habe ich auch geglaubt, als ich in Ihrem Alter war. Wissen Sie, wie viele "Durchbrüche" ich in meiner Karriere miterlebt habe? Jedes Mal hieß es: "In zehn Jahren werden Maschinen alles können." Und jedes Mal sind wir an denselben Grenzen gescheitert.
Lukas: (beharrlich) Aber diesmal ist es anders! Mit neuronalen Netzen können wir doch lernen, wie das menschliche Gehirn funktioniert. Wir stehen kurz davor zu verstehen, wie Intelligenz wirklich entsteht.
Professor Schreiber: (lacht bitter) Das menschliche Gehirn? Herr Berger, wir verstehen nicht einmal ansatzweise, wie ein Gehirn lernt. Glauben Sie wirklich, dass ein paar Millionen Datenpunkte und ein Haufen Matrixmultiplikationen uns plötzlich erleuchten werden?
Lukas: (verärgert) Aber wir müssen doch irgendwo anfangen! Wenn wir immer nur pessimistisch sind und sagen "Das klappt sowieso nicht", dann kommen wir nie voran.
Professor Schreiber: (beugt sich nach vorne) Voran? Glauben Sie wirklich, dass diese Spielereien mit neuronalen Netzen oder Expertensystemen uns näher an echte Intelligenz bringen? Ich habe Jahre damit verbracht, Roboter zu bauen, die einfache Aufgaben wie das Greifen eines Objekts bewältigen sollten. Wissen Sie, was passiert ist? Sie haben versagt. Immer wieder. Weil die Realität chaotisch ist und Maschinen keine Ahnung haben, wie sie mit Unsicherheiten umgehen sollen.
Lukas: (versucht ruhig zu bleiben) Aber genau daran arbeiten wir doch! Fortschritt ist kein gerader Weg – es braucht Zeit und Rückschläge.
Professor Schreiber: (sarkastisch) Rückschläge? Oh ja, davon hatte ich genug. Wissen Sie, was das Problem ist? Die Leute da draußen – Geldgeber, Politiker – erwarten Wunder. Und wenn die Wunder ausbleiben, ziehen sie ihre Unterstützung zurück. Dann stehen Sie da mit Ihren halbfertigen Projekten und einer Karriere voller Enttäuschungen.
Lukas: (nachdenklich) Vielleicht liegt es daran, dass wir zu viel auf einmal wollen. Vielleicht sollten wir kleinere Schritte machen und uns auf spezifische Probleme konzentrieren.
Professor Schreiber: (nickt langsam) Das klingt vernünftig... aber wissen Sie was? Selbst die kleinen Schritte sind schwerer als sie aussehen. Jedes Mal, wenn Sie glauben, ein Problem gelöst zu haben, tauchen zwei neue auf. Und irgendwann merken Sie: Die Kluft zwischen dem, was wir erreichen wollen, und dem, was tatsächlich möglich ist, wird nicht kleiner – sie wird größer.
Lukas: (leise) Aber wenn alle so denken würden wie Sie... dann gäbe es keinen Fortschritt mehr.
Professor Schreiber: (sieht Lukas direkt an) Vielleicht ist das Problem nicht der Fortschritt selbst – sondern unsere Erwartungen daran. Wir wollen Maschinen bauen, die wie Menschen denken können. Aber vielleicht sollten wir uns fragen: Ist das überhaupt nötig? Oder gar möglich?
Lukas: (nach einer kurzen Pause) Ich glaube trotzdem daran. Vielleicht werde ich auch scheitern – so wie Sie sagen –, aber ich will es zumindest versuchen.
Professor Schreiber: (schmunzelt leicht) Gut so. Versuchen Sie es ruhig. Vielleicht brauchen wir Leute wie Sie – Leute mit Träumen –, um uns Alten daran zu erinnern, warum wir überhaupt angefangen haben. Aber seien Sie gewarnt: Träume haben eine unangenehme Angewohnheit... sie zerbrechen leicht.
Lukas: (steht auf und reicht ihm die Hand) Danke für Ihre Ehrlichkeit... auch wenn ich nicht alles teile. Ich hoffe trotzdem, dass ich Ihnen irgendwann beweisen kann, dass es möglich ist.
Professor Schreiber: (nimmt seine Hand zögerlich) Das hoffe ich auch... für Ihren eigenen Seelenfrieden.
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*Der Student verlässt das Büro mit gemischten Gefühlen – einerseits inspiriert von seinem eigenen Optimismus, andererseits bedrückt von der Bitterkeit seines Professors. Schreiber bleibt allein zurück und starrt auf den unfertigen Roboterarm auf seinem Tisch.*
February 09, 2025
Dialog über KI Forschung in den 1990er Jahren
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fictionstory
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